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Von der Idee zur Realisierung

Von Susanne Asoronye

Schon als Kind saß ich oft bei meiner Großmutter und lauschte ihren Erzählungen und den Familiengeschichten aus unserem Dorf. Dabei hörte ich auch von ihrem Bruder Hermann, der als Soldat in den 1. Weltkrieg zog und nicht mehr heimkehrte. Sie selbst war erst 8 Jahre alt, als Hermann starb, und hatte daher wenig eigene Er­innerungen an den ältesten Bruder, doch er war durch Gespräche und Erzäh­lungen der älteren Geschwister und ihrer Eltern immer gegenwärtig.

Meine Großmutter zeigte mir die Briefe, Postkarten und Bilder, die sie – wie schon ihre Eltern – zur Erinnerung in einem alten­ Schuhkarton aufbewahrte und die die Grundlage zu diesem Buch bilden. Vor ihrem Tod übergab sie mir diesen Karton und er lag über 25 Jahre lang unbeachtet in meinem Schrank.

Während der Recherche für einen Vortrag, den ich in meiner Funktion als Vor­sitzende des Freundeskreis Königsbach-Steiner Geschichte zusammenstellte, ­sichtete ich Jahrzehnte­ später diese historischen Dokumente und vertiefte mich in die Feldpost meines Großonkels.

Hermanns Briefe ließen mich nicht mehr los. Die Familie, der er so verbunden war, ist meine Familie. Seine geliebten Eltern sind meine Urgroßeltern. Seine kleine Schwester, die er oft aus der Ferne grüßte, ist meine Großmutter. Der Gedanke, dass das Elternhaus dieses charismatischen Menschen heute in meinem Besitz ist und ich noch immer darin wohne,
faszinierte mich ebenso wie sein Schreibstil und seine Intelligenz sowie die Fürsorge, die er durch Familie und Freunde erfuhr. Es berührte mich, wie er immer wieder die Gefahr, in der er schwebte, herunterspielte, damit die Eltern sich nicht zu sehr ängstigten. Trotzdem ließ er die Eltern – so wie auch uns Leser nahezu 100 Jahre später – teilhaben an seinen Erlebnissen an der Front:

Die Idee, diese Briefe als Buch zu veröffentlichen, war geboren.

Natürlich konnte ich nicht die gesamte Feldpost in das Buch aufnehmen, das hätte den Rahmen und den Umfang gesprengt. Die Briefe sind vollzählig ab­gedruckt, aber Feldpostkarten, deren Inhalt lediglich die Ankunft von Paketen und das obligatorische „mir geht es gut, ich hoffe euch auch“ beinhalteten, habe ich meist weggelassen.

Je mehr ich mich mit der Materie beschäftigte, desto spannender wurde das Thema „1. Weltkrieg und Soldaten“. Denn hinter jedem Soldaten steht eine Geschichte, ein Schicksal, stehen Leid und Tränen. Zuerst wollte ich nur der im Krieg gefallenen Königs­bacher im Buch gedenken, aber die Vielzahl an Einzelbildern, Fotoalben, Erlebnissen und Schicksalen, welche die Königsbacher mir zur Verfügung stellten bzw. von denen sie erzählten, konnten nicht außen vor gelassen werden.

Also begann ich, eine relationale Datenbank zu programmieren, um die unterschiedlichsten Informationsquellen über die Soldaten, über Verwandtschaftsverhältnisse und Lebensdaten möglichst inklusive der Bilder konstruktiv und rationell ­verwalten zu können. Die Datenbank ist mit einer Verschlagwortung und Volltext­suche versehen und es besteht die Möglichkeit, verschiedene Suchfunktionen mit­einander zu verknüpfen. Das war mir wichtig und erleichterte die Recherche.

Informationen, die ich von Nachkommen der Soldaten erhalten habe oder die ich dem Archiv der Gemeinde, aus Unterlagen des Kriegs-Hilfsvereins und des Frauenvereins, dem General-Landesarchiv Karlsruhe, unserem Heimatbuch und dem Orts­sippenbuch Königsbach entnommen habe, wurden in die Datenbank eingepflegt und zusammengeführt. Damit waren letztendlich über drei Viertel der Kriegsteil­nehmer recherchiert.

Die Recherche jedoch war nicht einfach. Hier ein Beispiel: Hermann Föller schreibt über einen Otto Keller. Wer war nun dieser Otto Keller? Im heutigen Königsbach wohnen keine „Keller“, die seit Generationen ansäßig sind. Nun war ich auf ­Informationen „alter“ Dorfbewohner angewiesen. Ich fand Folgendes heraus: Neben meinen Urgroßeltern wohnte die Familie Wolf. Frau Wolf war eine geborene Keller. Otto Keller war der Neffe, denn das Paar war kinderlos. Otto Keller selbst hatte nur eine Tochter, welche in Königsbach mit Karl Bräuer verheiratet war und in der ­Steiner Straße lebte (sie starb im Dezember 2011). Allein diese Information kostete mich mehr als ein Dutzend Anrufe und Nachfragen innerhalb der Dorfgemeinschaft, denn wie sonst konnte ich die Familienverhältnisse im Dorf erfragen? Ich führte unzählige Telefonate, besuchte ältere Leute, ließ mir Bilder und Familienalben geben und fragte immer wieder nach Familienbanden. So fügte sich ein Puzzleteil zum anderen.

Hermann Föller hatte eine Freundin, die er in seinen Briefen mit „Gruß an Kätchen“ bedachte. Im April 1917 schreibt er von konkreten Zukunftsplänen mit ­Kätchen. Doch wer war diese Freundin? Es sind keine Zeitzeugen mehr am Leben und eine Erwähnung des Nachnamens in den Briefen gab es nicht. „Kätchen“ ließ auf Katharina oder Käthe schließen, es kamen nur die Jahrgänge 1882 bis max. 1887 in Frage. Herauszubekommen, wer diese Frau war, dauerte über 18 Monate, bis ein Zufall mich zu Elfriede Koch, der Nichte von Kätchen, führte und die diese Verbindung bestätigte.

Hermanns Eltern hinterließen mit den Briefen eine Menge Dokumente und Unter­lagen sowie Fotos, die ihnen Hermann aus dem Krieg geschickt hatte. Außerge­wöhnlich ist die Negativ-Glasplatte vom Grab, die noch vorhanden ist, sowie ein Foto von der Beerdigung und die „Einlieferungskarte“ ins Lazarett. Diese persön­lichen Unterlagen beleben das Buch und geben Hermann Föller ein Profil.

Hermann Föller war beim 1. Badischen Leib-Grenadier-Regiment. Also nahm ich Verbindung zum Traditionsverein der Leib-Grenadiere in Karlsruhe auf. Hier kam ich in Kontakt mit der Regimentsgeschichte Ferner nahm ich Einblick in die Kriegstagebücher der Leib-Grenadiere und in die Anlagen der Kriegstagebücher im ­General-Landesarchiv Karlsruhe und war somit in der Lage, die Brief­inhalte in ­Relation zum tatsächlichen Fronterleben zu setzen. Leider waren einige wichtige ­Dokumente aus dem Archiv wie z. B. die Kriegsstammrollen aufgrund einer Mikroverfilmung auf Monate hinaus nicht zugänglich.

In diesem Buch steckt sehr viel Herzblut und noch mehr Energie. Tausende Arbeitsstunden, die nicht mehr gezählt werden können. Es war auch eine finanzielle Belastung. Nicht nur die Vorfinanzierung des Druckes belastete, sondern ich musste komplette Fotoalben von Kriegsteilnehmern aufkaufen, erwarb über Ebay oder andere Internetportale Feldpostkarten und Originalfotos. Allerdings wurden mir auch viele Bilder und Karten kostenfrei zur Verfügung gestellt - und letztendlich überwog die Freude am Werk.

Nun hoffe ich, dass Sie Spaß am Lesen haben und interessante Einblicke in die Seele meines Großonkels haben. Ich freue mich auch über Ihr FeedBack im Gästebuch.